Der Wulff und das “auch”

Von Marcus Müller

13 mal sagte Bundespräsident Christian Wulff am Donnerstag ‚auch’ in der Erklärung zu seiner Privatkredit-Affäre. Das ist nicht wenig für einen Text, der ganze 486 Wörter lang ist (einschließlich des sich für einen Präsidenten ziemenden „Guten Tag“ und „Vielen Dank“). Das wichtigste ‚auch’ steckte im Satz: „Ich werde das Amt auch in Zukunft gewissenhaft und mit ganzer Kraft ausfüllen.“
Man kann das Wiehern und Schenkelklopfen der Kabarettisten schon hören. Wieso ‚auch’ in Zukunft? Hat er es bisher getan? Man denke nur an seine forsche Herumforderei, als es darum ging, ob Thilo Sarrazin nach seinem unsäglichen Buch als Bundesbank-Vorstand zurücktreten müsse. Da hat Wulff deutlich zu viel gesagt und sich in gehörige Schwierigkeiten gebracht. Seine Einlassungen zum Islam („gehört zu Deutschland“) waren zwar wichtig, aber auch kein so großer Wurf wie das Gemurre bei CDU und CSU vermuten lassen könnte. Da sind halt nur ein paar ganz Konservative erschrocken. Und was heißt das „auch in Zukunft“ für die kommenden Ansprachen des Herrn Bundespräsidenten: Wird er noch sturzöder kleine juristische Seminare abhalten, wie er das spitzfindig in den ersten Tagen der Affäre tat?

Wulff hat die letzte Tür genommen, die noch einen Spalt offen stand, für seine erste leibhaftige Erklärung in dieser Affäre. Und auch wenn sie jetzt im weihnachtlichen Weichzeichner wohl als Schluss eben dieser wirken soll, bleibt hängen: Kanzlerin Angela Merkel wollte einen waschechten Politiker auf dem Stuhl des Bundespräsidenten und Wulff hat bewiesen, dass er das Amt locker auf das niedrige Niveau der Tagespolitik mit ihren windigen Erklärungen zu ziehen vermag. Er wird sich noch lange anhören müssen, dass in dieser Affäre die Wahrheit wirklich nur in sehr dünnen Scheibchen auf den Teller kam. Und er wird auch damit leben müssen, dass man die Sonderbehandlung in Sachen Kredit und Urlaub weiter für anrüchig halten kann, weil er sie durch Amt und reiche Freunde erlangte. Jedenfalls wird ihn das Wandeln in diesen Kreisen eher nicht sensibilisiert haben für zunehmende Armut, die Lebensbedingungen mit Hartz-IV oder das allgemeine Unbehagen an einem zerstörerischen Kapitalismus.

Außerdem kupferte Wulff in seiner Erklärung auch noch bei zu Guttenberg ab: Der Präsident versuchte sanften Druck auf die Tränendrüsen der Zuhörer auszuüben, als er sagte, dass er an den „Schutz betroffener Familienangehöriger und Freunde“ habe denken müssen, als es darum ging, Transparenz herzustellen. Wir erinnern uns: Freiherr zu Guttenberg instrumentalisierte in höchster Plagiatsaffären-Not gefallene Soldaten als einen Rücktrittsgrund. Ganz so hart ist Wulff zwar nicht, aber überflüssig ist sein Hinweis trotzdem.

Psychologen sollten sich übrigens mal über den Wulffschen Satz beugen: „Persönliche Freundschaften sind mir, gerade auch menschlich, wichtig.“ Auch menschlich – wie denn sonst, bitteschön? Das alles kommt dabei heraus, wenn dieser Bundespräsident die bisher wohl wichtigste Rede seiner Amtszeit hält? Damit will er um das ‚auch’ zukünftige Vertrauen der „Bürgerinnen und Bürger“ bitten und werben? Kann er vergessen, von solchem Kaliber hört man täglich mehr als genug im normalen Politikgeschäft. Darüber hinausgehendes Format hat Wulff nicht.

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