Der Pädophilie-Skandal und die große Vertuschung

Von Uta Ranke-Heinemann

Uta Ranke-Heinemann | debattiersalon | Foto: Sven Wolter | Quelle: WikipediaEs war tatsächlich das FernSEHEN, und zwar der italienische Vatikansender Telepace, der mir erstmals die Augen öffnete, daß die Sexualfeindlichkeit der Kirche dramatische Auswirkungen hat, daß sie zu widerwärtigen sexuellen Verirrungen führt.

Die Verbrechen, die von zwangsentsexualisierten Priestern an Kindern und Jugendlichen geschahen und noch geschehen, dies unaussprechliche Leid der wehrlosen Betroffenen schreit zum Himmel: 2002 also SAH ich, wie Papst Johannes Paul II. Krokodilstränen über die Pädophiliefälle vergoß und Kardinal Bernard Francis Law von Boston reuig vor ihm kniete und sein Amt dem Papst zurückgab, weil er durch ständiges Versetzen der Priester und durch Verheimlichung vor den staatlichen Behörden großen Schaden angerichtet hatte.

Ich hatte Reueszenen schon öfter gesehen, z.B. bei einem schwarzen Erzbischof, der eine Koreanerin der Munsekte geheiratet hatte und nun reuig vor dem Papst kniete. Und ich hatte gesehen, wie der Papst ihn dann aufhob und anschaute – vorwurfsvoll immer noch, aber verzeihend, weil der Sünder ja bereut hat. (Inzwischen ist er allerdings wieder mit seiner Koreanerin verheiratet.) Aber diesmal war in Großaufnahme auf dem Gesicht des Papstes etwas anderes zu sehen, und ich war schockiert: Das war der Blick eines Komplizen.

Er sah den Kardinal Law an wie einen, der ihn nicht verraten hatte. Da war eine Entente cordiale zwischen den beiden, ein herzliches Einverständnis. Kardinal Law bekam dann auch ein hohes Amt im Vatikan, das er auch heute noch innehat. Ich sah, Kardinal Law hatte den Papst nicht verraten, er hatte nach seinem Willen die Vertuschung der Pädophiliefälle betrieben. Pädophilie ist die Gefahr einer monosexuellen Kirche, der in 2000 Jahren zwar die Vertreibung der Frauen, aber noch nicht die Entsexualisierung geglückt ist.

Kardinal Ratzingers verhängnisvollste Tat war, daß er einen von zwei Pädophilie-Erlassen verfaßte. Der erste stammt von Kardinal Ottaviani 1962 und heißt: “Crimen Sollicitationis” (Verführung zu sexuellen Handlungen). Der zweite stammt von Ratzinger 2001 und heißt: “De Delictis gravioribus” (Über schwerer wiegende Verbrechen).
Das erfuhr ich erst 2006 durch den erschütternden BBC-Film “Sex Crimes and Vatican” von Colm O´Gorman, der als 14-Jähriger in Irland von einem Priester vergewaltigt wurde. Beide interne Schreiben betonen – mit vollster Zustimmung von Papst Johannes Paul II. – “die gerichtliche Alleinzuständigkeit der Glaubenskongregation als eines apostolischen Gerichtshofes” in Pädophiliefällen von Klerikern.

Gleichzeitig werden alle Bischöfe unter Strafe der EXKOMMUNIKATION aufgefordert, alle Missbrauchsfälle AUSSCHLIESSLICH(!) an den Vatikan zu melden, was eine totale Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte zur Folge hat und zu einer ständigen Versetzung der pädophilen Priester und Ordensleute führt, die nach einer “Therapie” ihr Unwesen Jahrzehnte weitertreiben. Über die Opfer verlieren diese Erlasse kein einziges helfendes Wort. Diese beiden Erlasse, da nicht für die Schafe, sondern nur für die Hirten bestimmt und die jeder Bischof in seinem Tresor liegen hat, sind in lateinischer Sprache verfaßt, was aber heute sogar Frauen übersetzen können, und dies in der katholischen Kirche, in der alle Hirten Männer und alle Frauen Schafe sind und stehen inzwischen sogar im Internet.

Und den erschütternden BBC-Film “Sex Crimes and Vatican”, der in Deutschland dank katholischen Bischöfen bisher nicht gezeigt werden konnte, kann man auf youtube sehen. Der Film zeigt, welches Täuschungsmanöver hier im Gang ist, um das Ansehen der katholischen Kirche und des Papstes nicht zu beschädigen. Als einzige Reaktion des Vatikans werden alle Schriftstücke staatlicher Behörden ungeöffnet zurückgeschickt. Man sieht in dem Film das umfangreiche Schriftstück, das der Staatsanwalt in Phönix Arizona, Rick Romley, an Kardinal Sodano geschickt hatte und ungeöffnet zurückerhielt. Auf dem Umschlag lediglich zu lesen in mehreren Sprachen: “retour, rinvio, refuse (Annahme verweigert).”

Die erschütterndste Szene des Films spielte sich 2002 in Mittelbrasilien ab. Dona Elza da Silva, Großmutter des damals fünfjährigen Warly in einem der ärmsten Winkel der Welt, erzählt dem Reporter, daß ihr Enkel sterben will, weil alle Kinder ihm nachrufen: “des Priesters kleine Frau”. Daß er von Priester Tarcisio, der kürzlich in der Nachbarschaft einzog, vergewaltigt wurde. Daß sie das dem Bischof gemeldet habe. “Aber der Bischof und alle sind böse mit mir, keiner glaubt mir, die Leute gehen auf die andere Straßenseite, wenn sie mich sehen. Ich fühle mich exkommuniziert.”

Aber dann wird alles aufgedeckt. Nicht durch die Kirche, sondern durch die Polizei, die zufällig das Tagebuch des Priesters fand. Es stellte sich heraus, daß er schon 1991 in Sao Paulo einen 13-jährigen Jungen vergewaltigt hatte und, viermal nach einer “Therapie” versetzt, schießlich in der Nachbarschaft des kleinen Warly gelandet ist. In dem Tagebuch schreibt er auch – man sieht im Film seine krickelige Schrift – : “Alter der Jungen: 7,8,9,10 Jahre, arm, möglichst vaterlos, nur eine Großmutter oder alleinstehende Mutter oder Schwester, wichtig: sich mit der Familie anfreunden. Dem Kind Gitarrenunterricht geben. Kleine Geschenke machen, als Gegenleistung sexuelle Handlungen.”

Zur Vertreibung der Frauen hat die Kirche 2000 Jahre gebraucht. Wie lange sie jetzt noch zur Züchtung des “keuschen Homosexuellen” (siehe Weltkatechismus von 1992 Nr. 2357, 2358, 2359) benötigt, ist noch nicht klar. Klar ist nur dies: Solange zwangsentsexualisierte Priester mit Männern, Frauen, Jugendlichen und Kindern in dunklem Beichtstuhlgewisper vereint sind, wird sich der Beichtstuhl immer mehr zur Kontaktbörse für Sexualneurotiker entwickeln, wobei auch Pädophilie nicht ausgeschlossen werden kann, und sollte darum für Kinder und Jugendliche verboten werden.

Sie können dies alles nachlesen in dem Taschenbuch: Eunuchen für das Himmelreich.Katholische Kirche und Sexualität. Von Jesus bis Benedikt XVI.”, 2012 erschienen, in welchem ich Papst Benedikt XVI. als den Höhe- bzw. Tiefpunkt der 2000-jährigen Frauen-und Sexualfeindlichkeit beschreibe. Dies Buch wurde noch 2012 ins Slowenische übersetzt, denn in Slowenien haben zwei Kardinäle drei Söhne gezeugt und wurden sofort – weg von Kind und Kegel – nach Rom abkommandiert. Und die Slowenen glauben oder hoffen nun, daß die drei Kardinalssöhne, wenn zu Verstand gekommen, den Zölibat abschaffen werden, der daran Schuld ist, daß sie vaterlos sind.

Papst Benedikt XVI. ist es, der bis heute nicht die EXKOMMUNIKATIONSDROHUNG an alle Bischöfe, welche Pädophiliefälle an staatliche Behörden melden, zurückgenommen hat. Es ist eher damit zu rechnen, daß die Bischöfe Akten vernichten werden (und schon vernichtet haben), statt sie an den Staat weiterzuleiten. Papst Benedikt XVI. und nicht in erster Linie die Bischöfe ist der GROSSE VERTUSCHER im Hintergrund aller Vertuscher.
Meine abschließenede Empfehlung: sehen Sie sich auf www.youtube.de den erschütternden BBC-Film an: “Sex Crimes and the Vatican” aus dem Jahr 2006 von Colm O’Gorman, ein Film, der in Deutschland nicht gezeigt werden darf.

Univ.-Prof. Dr. theol. Uta Ranke-Heinemann war die erste Frau der Welt, die eine Professur für katholische Theologie erhielt (1970) und die erste Frau der Welt, die sie wieder verlor (1987), weil sie an der Jungfrauengeburt zweifelte. 1953/54 war sie in München Studienkollegin von Joseph Ratzinger.

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2 Antworten auf Der Pädophilie-Skandal und die große Vertuschung

  1. Angelika Oetken sagt:

    Sehr geehrte Frau Ranke-Heinemann,

    kann es sein, dass es nicht “nur” reine Frauen- und Sexualfeindlichkeit ist, die Teile der Führung der RKK dazu bringt, Kinder und Jugendliche regelrecht zu opfern?
    Sondern dass das in Folge kultischer, irrealer Überhöhung eines Bildes vom Menschen an sich geschieht, das nicht der Realität entspricht?
    Und wenn Menschen, die sich mächtig fühlen möchten und Kontrolle ausüben wollen bemerken, dass sie in Wirklichkeit ohnmächtig sind, dann bringen sie Opfer dar.
    In diesem Falle opfern sie vorsätzlich Kinder. Als Reaktion auf die Tatsache, dass sie Mitglieder akquiriert haben, die wie der brasilianische Priester, von dessen Tagebucheintragungen Sie berichten, offensichtlich Sozio-, wenn nicht gar Psychopathen sind. Auf jeden Fall Männer, die alles andere als fürsorglich und verantwortlich eingestellt sind. Im Gegenteil: sie gehen sogar zutiefst destruktiv vor.

    Und wenn ich mir den Marien- und Mutterkult der traditionellen katholischen Kirche anschaue, dann entdecke ich Teile magischer Abwehr der übergriffigen Mutter. Einer Sexualstraftäterin.

    So schließt sich der Kreis.

    Und so ist der Vorsatz zu erklären, mit dem Teile der katholischen Führungselite, Missbrauch an den Kindern für die sie Verantwortung tragen institutionell fördern und die Folgen vertuschen, ja sogar leugnen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von über 7 Millionen Wahlberechtigten in diesem Land, die in der Kindheit Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  2. Marion sagt:

    Prof. Uta Ranke-Heinemann schreibt:
    Sehr geehrte Frau Oetken,
    Ja, Sie haben Recht, wenn Sie darauf hinweisen, daß es eine Reihe von
    Irrtümern im Christentum gibt. Und man muß zugeben, daß im
    katholischen und evangelischen Christentum vieles im Argen liegt.
    Die Aufhebung des Zölibats seit Luther hat die Sexual-und
    Frauenfeindlichkeit weithin behoben. Aber es bleibt dann immer noch
    genug, was im Christentum falsch gelaufen ist.
    Hier mein siebenfaches negatives Glaubensbekenntnis (S. 417 meines
    Heyne-Taschenbuchs “Nein und Amen. Mein Abschied vom traditionellen
    Christentum”). Das lautet so:

    1. Die Bibel ist nicht Gottes-, sondern Menschenwort.
    2. Dass Gott in drei Personen existiert, ist menschlicher Fantasie
    entsprungen.
    3. Jesus ist Mensch und nicht Gott.
    4. Maria ist Jesu Mutter und nicht Gottesmutter.
    5. Gott hat Himmel und Erde geschaffen, die Hölle haben die Menschen
    hinzuerfunden.
    6. Es gibt weder Erbsünde noch Teufel.
    7. Eine blutige Erlösung am Kreuz ist eine heidnische
    Menschenopferreligion nach religiösem Steinzeitmuster.

    Der grausame 7. Punkt: Gott opfert seinen einzige Sohn, um uns zu
    erlösen. Wie furchtbar, was für ein grausamer Vater. Nein: die Christen
    haben Gott zu einem Dämon gemacht.

    Mit freundlichem Gruß Uta Ranke-Heinemann.