Von Siegesmund von Ilsemann
Franz-Josef Strauss und Helmut Schmidt wurden von ihren eigenen Kabinettskollegen gestoppt, als sie Saudi-Arabien deutsche Wunderpanzer vom Typ „Leopard“ liefern wollten. Helmut Kohl versuchte es erst gar nicht und schlug Riads Panzer-Wünsche ab mit dem Hinweis auf das bundesdeutsche Verbot, Waffen in Krisengebiete zu liefern. Keine Waffen in Krisengebiete und schon gar nicht Rüstzeug für potentielle Feinde Israels – das war das moralische Mäntelchen, mit dem das Nachkriegsdeutschland seinen kaum gebremsten Aufstieg zur weltweiten Waffenexportmacht Nummer Drei zu verschleiern suchte.
Es bleibt der schwarz-gelben Koalition in Berlin vorbehalten, nun auch noch diesen letzten bescheidenen Vorbehalt zu beseitigen, der aus der unseligen Erfahrung deutschen Rüstungswahns dem Export teutonischer Waffenschmieden auferlegt worden war. Der Beschluss des geheim tagenden Bundessicherheitsrates, die Ausfuhr von 200 Leopard-2-Panzern in das arabische Wüstenkönigreich zu genehmigen, macht aus der deutschen Außenpolitik endgültig ein Stück aus dem Tollhaus.
„Abrüstung“, so hatte der frisch gekürte Chefdiplomat Guido Westerwelle bei seinem Amtsantritt vollmundig erklärt, wolle er ins Zentrum von Deutschlands Beziehungen zur Welt rücken. Immerhin war seine politisch tölpelhafte Entscheidung (über die seine Spitzenbeamten sich heute noch die Haare raufen), im UN-Sicherheitsrat zusammen mit Russland und China gegen das militärische Eingreifen zum Schutz der aufständischen libyschen Bevölkerung zu stimmen, wenigstens kein Bruch dieses Abrüstungsversprechens. Allenfalls deutsche Jubel-Reden zum „arabischen Frühling“ wurden da als hohle Phrasen ohne jeden realen Gehalt entlarvt.
Die außenpolitischen Volten, welche die Bundesregierung seither geschlagen hat, erklären jedoch nun auch noch den Rest von Westerwelles weltpolitischer Agenda zu bloßer Makulatur. Erst prangert der neue Verteidigungsminister Thomas de Maiziere mit dem Versprechen, Waffen für den Nato-Einsatz am Golf von Syrte bereit zu stellen, die Libyen-Entscheidung seines freidemokratischen Kabinettskollegen als peinlichen Patzer an. Und jetzt desavouiert der Sicherheitsrat (dem der Bundesaußenminister angehört) mit seiner Genehmigung für den Panzer-Export nach Saudi-Arabien auch noch den letzten Rest von Westerwelles „Abrüstungspolitik“.
Dem Protest der Opposition und Unmut in den eigenen Reihen versuchte die Regierung Merkel mit der verschämten Entschuldigung zu begegnen, der Deal sei mit den USA und Israel abgestimmt. Dass unsere westliche Vormacht solche Geschäfte nicht für anrüchig hält, kann kaum verwundern. Immerhin exportierten sich die Amerikaner mit solcher Skrupellosigkeit zum Welt-Aufrüstungsmeister.
Und Jerusalems Plazet, so es denn wirklich gegeben wurde, verwundert auch nur bis zum zweiten Blick: Immerhin ist der jüdische Staat weltweit wohl die einzige Demokratie, in der den Befreiungsbewegungen des „arabischen Frühlings“ mit offenem Argwohn, ja mit Ablehnung begegnet wurde. Jetzt, wo es Despoten wie Zine el Abidine Ben Ali in Tunesien, Husni Mubarak in Ägypten und Muammar al-Gaddafi an den Kragen geht, wächst bei israelischen Hardlinern um Regierungschef Netanjahu die Angst, dass frei gewählte Regierungen in arabischen Ländern nicht länger still und heimlich mit dem bei ihren Bevölkerungen verhassten jüdischen Staat kooperieren, wie es die Gewaltherrscher – trotz öffentlicher Anti-Israel-Tiraden – zunehmend getan hatten.
Und wenn es Jerusalem Recht ist, dann schert sich offenbar auch Berlin nicht mehr darum, dass es Panzer an ein höchst undemokratisches Regime zu liefern bereit ist, das nicht nur nach wie vor keinen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet hat und seine eigene Bevölkerung massiv unterdrückt. Jüngst ließ Riad seine Soldaten sogar in das benachbarte Scheichtum Bahrain einmarschieren, als dort die Bevölkerung für demokratische Freiheiten demonstrierte.
Für Einsätze dieser Art – sei es im eigenen Land oder auf fremden Boden – stünde Riad mit dem Leopard 2 ein besonders geeignetes Kampffahrzeug zur Verfügung: Die neueste Entwicklungsstufe – der Leopard 2A7 – ist nämlich für den Straßenkampf optimiert. Ein Räumschild für die Beseitigung von Straßensperren und eine fernbediente flexible Waffenstation, mit der vom Turm aus feindliche Kämpfer im Nahbereich angegriffen werden können, eignen sich bestens dazu, Widerstandsbewegungen in städtischen Ballungsgebieten niederzukartätschen.
Mit saudischen Leopard-Panzern stünden dann noch mehr deutsche Waffensysteme im Dienst, um weltweit eben jene Bewegungen zu unterdrücken, die sich ein Ziel auf ihre Fahnen geschrieben haben, das angeblich auch als Hauptanliegen deutscher Außenpolitik gilt: Demokratisierung.
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