Jakob Augstein hat jüngst in einem Beitrag auf Spiegel-Online auf fast panische Art vor dem medialen Sündenfall, der Raab-isierung von TV-Inhalten gewarnt. Ist ja auch pfui, dieser unerschrockene Großkotz, der jetzt nun dreisterweise auch noch eine hochheilige Institution namens Kanzler-Interview erobern will. Dagegen muss sich Deutschland, zumindest in den Augen von Augstein, mit aller Kraft schützen. Wo kämen wir denn da hin, wenn so ein dahergelaufener Schlag-den-Raab-TV-total-unser-Star-für-Oslo-Dauergrinser nun auch noch in die hohe, heilige Sphäre der Politik vordringen würde?
Ist ja alles so schön einfach: Hier die heile, öffentlich-rechtliche Friede-Freude-Eierkuchenwelt, da die miesen Privatlinge, diese Raabs eben, der Wurmfortsatz der hiesigen Medienlandschaft. Die sollen es nur nicht wagen, sich auch noch der Politik zu verschreiben. DIE gehört doch nun wirklich den Anderen.
Ist ja schließlich schon seit jeher gebunkert, von Leuten wie BR-Gottlieb, der den ARD-Brennpunkt zum Papst-Rücktritt jüngst anschaulich dazu nutze, zu zeigen, was die Öffentlich-rechtlichen tatsächlich so drauf haben und unter dem allseits gerühmten Bildungsauftrag verstehen: Peinliche, schleimige, untertänige Lobhudelei gegenüber einem rückwärtsgewandten, immer tattriger werdenden Oberkatholiken. Kritische Stimmen? Bitte nicht, das gehört ja nun wirklich nicht in so eine schöne (öffentlich-rechtliche) Sendung, das würde ja die ganze Stimmung kaputt machen.
Oder Günther Jauch, der bei seinem Sonntags-Talk über den schneckenhaft vorankommenden Kita-Ausbau Fragen an den noch immer von der sicheren Rente fabulierenden Norbert Blüm ganz zurück stellte und kurzerhand einfach den nächsten Gast interviewte. Kritisches Nachhaken? Viel zu anstrengend, in dieser seit dem Weggang von Anne Will zur lauschigen Karteikarten-Ablese-Nummer verkommenen Pennäler-Unterhaltungsstunde. Sollen sich ja schließlich alle wohlfühlen bei unserem Günther.
Dann wären da noch die wirklich hochanspruchvollen volksmusikantischen Highlights, allererste Sahne, alles sonderklasse und wirklich wertvoll, dass auch dem letzten Hirni einleuchten muss, warum die Programmverantwortlichen dafür Dokumentationen oder andere Sendungen zum Nachdenken immer mehr in die Spartenkanäle auslagern oder zu nachtschlafenden Zeiten senden. Man kann doch die schunkelnde Volksmusi-Gemeinde nicht vergraulen.
Nicht zu vergessen die Endlos-Live-Übertragungen über unsere geliebten Royals, in denen sich über Stunden echte öffentlich-rechtliche Expertise Bahn bricht, da wird noch richtig analysiert und seziert, und sei es nur Kate´s elfenbeinfarber Traum aus englischer Seide und französischer Spitze. Hach, was für ein anspruchsvolles Programm! Da bleibt dann eben kein Raum mehr für Veranstaltungen wie jüngst im Deutschen Bundestag zum Gedenken an die Opfer es Holocaust. Ist ja ohnehin längst alles bekannt, Holocaust ein alter Hut – und diese traurigen Themen. Nee, das muss nicht sein. Nicht bei ARD und ZDF.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich sind die Privaten mit ihrer Ballung an Minus-IQ-Sendungen eine Qual. Und dennoch ist es ein Witz, die immer mehr zur Weichspülerei neigenden Öffentlich-rechtlichen als letzte Bastion des erhabenen Journalismus zu stilisieren. „Wer ARD und ZDF niedermacht, kriegt die Raab-Republik“, schreibt Augstein in Verkennung der Tatsachen, dass sich beide Sender mit ihrem galoppierenden Mainstream immer mehr den Privaten angleichen und damit höchstselbst die Grenzen zu den Privaten verwischen. Nur, dass dieser Mainstream dann mit dem selbstgerechten Habitus eines Sigmund Gottlieb vorgetragen wird. „Der Blödsinn muss ein Ende haben“, fordert Augstein. Das stimmt. Im Zweifel heißt das: Gottlieb und alle übrigen Weichspüler – bitte abtreten! ARD und ZDF, macht es besser! Schlagt den Raab!