Von Michael Kraske
Das ZDF macht Politik. Und wie. In Syrien metzelt ein mörderischer Krieg weiter ungeschützte Menschen nieder – und die Welt schaut zu. Kinder werden ermordet, ein widerlicher Despot schlachtet die eigene Bevölkerung. Friedlicher Protest ist bestialischer Grausamkeit gewichen. Barack Obama zaudert, Wladimir Putin zockt. Und das ZDF? Lässt Diskutanten im neuen Talk-Format „Die Debatte“ wie Gladiatoren ins Studio einziehen. Vergibt Zeitkonten und inszeniert die Redner, als sprächen sie mit ihren dramatischen Appellen – während vier Minuten Redezeit gnadenlos und unbarmherzig runter ticken – zum Uno-Sicherheitsrat, nicht zum Fernseh- und Studiopublikum.
Die Befürworter eines Militärschlags wie der unvermeidliche „Orient-Experte“ Udo Steinbach haben gute Argumente. Jürgen Todenhöfer, der Weltreisende in Sachen Krieg und leidenschaftliche Pazifist, hat sie auch. Nur die Aussage, er habe Obama ein Verhandlungsangebot von Baschar al-Assad zu unterbreiten, verstört einen Zuschauer. Welches Recht hat der Mörder überhaupt noch zu verhandeln? Am Ende präsentiert Moderator Theo Koll eine „Fieberkurve“, die zeigt, dass die Zuschauer die größte Erregung verspürten, als Todenhöfer über das Leid der Kinder sprach. Die Wortkrieger starren gebannt auf die Kurve. Eine weitere Nonsens-Grafik enthüllt, dass in der Diskussion – bitte festhalten – auffällig häufig das Wort „Krieg“ benutzt wurde. Die Gegner eines Militärschlags haben übrigens verdächtig oft das Wort „Kinder“ in den Mund genommen. Koll ist immerhin Leiter der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen. Weder ihm noch seiner Redaktion sind offenbar bei der Konzeption des neuen Formats Skrupel gekommen, ob man einen anhaltenden Massenmord mit „Fieberkurven“ und Wortklaubereien zu einer pseudodramatischen TV-Posse aufblasen sollte.
Zum Nachtisch durfte dann bei Markus Lanz ein ehemaliger Big-Brother-Container-Bewohner in bräsiger Schnoddrigkeit lang und breit erklären, warum er noch nie zur Wahl gegangen ist und das auch weiter nicht zu tun gedenkt. Ihm durfte die mäßig prominente Sophia Thomalla widersprechen, weil sie in Schulklassen geht, um Schüler zum Wählen zu animieren und weil sie immerhin schon mal im Playboy eine gute Figur gemacht hatte. Na dann gute Nacht!