AUFGESPIESST: Rechte Morde, blinde Behörden

Im Bereich der rechtsextrem motivierten Gewalttaten ist die Zahl rassistischer Übergriffe im vergangenen Jahr um 22,7% gegenüber 2010 angestiegen. Doch auch nach Aufdecken des “Nationalsozialistischen Untergunds” tun sich deutsche Behörden nach wie vor schwer damit, politisch motivierte Morde auch tatsächlich als solche anzuerkennen. Die mutmaßlichen Neonazi-Morde an Duy-Doam Pham und André K. im Jahr 2011 etwa wurden bislang nicht staatlich anerkannt. Auch der Mord an Klaus-Peter Beer durch zwei Neonazis im Jahr 1995 taucht nach wie vor in keiner offiziellen Statistik auf, obwohl einer der Täter, Richard L., aus dem Umfeld des “Nationalsozialistischen Untergrunds” stammt.

Das alles – kein Einzelfall. Es ist vielmehr die Regel in einem Land, in dem Polizei und Strafverfolgungsbehörden nur allzu oft den politischen Hintergrund hinter den menschenverachtenden Taten rechter Schlägertrupps und wahnwütiger Einzeltäter negieren oder verharmlosen. Es ist ein fröhliches Nazi-Verharmlosungs-Spielchen, das landauf landab gespielt wird, in Ost und in West. Beispiele dafür gibt es etliche. Wie das von Thomas A., der im Dezember 2004 in Nordrhein-Westfalen drei Menschen umbrachte – eine, wie er später sagte, „durchgeführte Maßnahme zur Gesundung des deutschen Volkes”. Auch dieser Mord findet sich nicht in der Statistik rechts motivierter Tötungsdelikte.

Kein Wunder also, dass deutsche Behörden offiziell lediglich 63 rechtsextrem motivierte Tötungsdelikte auflisten, die Amadeu Antonio-Stiftung, die sich seit Jahren gegen rechtsextreme Gewalt stark macht, kommt hingegen auf 182 Todesopfer rechter Gewalt seit dem Wendejahr 1990. Diese Gegenüberstellung zeigt: Es reicht nicht aus, den Opfern huldvoll Beileid zu bekunden und – wie die Kanzlerin bei der Gedenkveranstaltung für die NSU-Opfer – Anteilnahme zu übermitteln. Was fehlt, ist die uneingeschränkte Anerkennung rechter Taten und ihre politische Einordnung. Es ist das Mindeste, was ein Rechtsstaat für seine Bürger tun kann – wenn er schon nicht deren körperliche Unversehrtheit sicherstellen kann.

Es geht bei der staatlichen Wahrnehmungsstörung im übrigen nicht um Statistik. Es geht darum, rechte Gewalt als solche zu erkennen und zu verurteilen. Darauf haben die Angehörigen der Opfer ein Recht. Und die Gesellschaft wird ohne diese Wahrhaftigkeit blind.

Dieser Beitrag wurde unter Alle Artikel, AUFGESPIESST abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.