AUFGESPIESST: Der kleine Ichwarschonimmerhier-Faschismus

Von Michael Kraske

debattiersalon | Aufgespiesst | Logo: Katharina Greve © 2013Gestern im Park in Leipzig: Ich wollte mit den Kindern ein paar Bälle schießen, den Geruch von frisch gemähtem Gras riechen, Gottes Gnade genießen. Kommt ein Pärchen des Weges, sie mit Baby vor dem Bauch, er groß und braungebrannt, als sei die Sonne nicht genug. Ihre beiden großen Hunde lassen sie frei laufen, ist zwar verboten, macht aber nix, ihnen jedenfalls nicht. Ihr großer brauner Jagdhund läuft geradewegs zu unserem Rucksack, schnuppert dran, hebt dann das Bein, um auf den fremden Rucksack zu pissen. Was würden halbwegs anständige, erzogene, sozial kompatible Hundebesitzer jetzt machen? Richtig, sie würden das Tier zu sich rufen und die Ekelattacke verhindern. Der braungebrannte Schlaks aber macht – richtig – nix, sondern telefoniert weiter. Ich verscheuche den Hund und bitte sein Herrchen, ihn nunmehr an die Leine zu nehmen und zu verhindern, dass er fremde Sachen vollpisst.

Klar, von Fremden lässt man sich ungern was sagen. Wie steht man denn dann da als Kerl mit fragilem Ego. Hundebesitzer neigen ohnehin bisweilen dazu, von der Liebe zum Tier die rationalen Gehirnareale verkleistern zu lassen. Aber was schlägt mir der Pisshund-Besitzer allen Ernstes vor? „Warum ziehen sie nicht wieder da hin, wo sie hergekommen sind?“ Ich, ziemlich perlex: „Vielleicht bin ich schon länger hier als Sie?“ Daraufhin kommt er zurück, wie sein Hund wird er jetzt ziemlich wild, und geifert: „Ich lebe schon 39 Jahre hier, und Sie?“ Eine Urkunde hab ich nicht dabei. Also teile ich ihm mit, dass ich nicht beabsichtige, dieses Thema mit ihm zu vertiefen. Vielleicht liegt ja gerade darin das Problem, dass er seinen Allerwertesten nie hier weg bewegt hat. Jedenfalls argumentiert er jetzt wie der einfältigste aller Neonazis – mit dem Etabliertenvorrecht: Ich bin hier geboren, darum bin ich im Recht, egal was ich mache, und du darfst eigentlich gar nicht da sein! Aber folgt daraus auch, dass sein Hund jeden Rucksack bepissen darf, der im in die Quere kommt? Offenbar schon.

Der Hund springt nun kläffend vor mir hoch, Herrchen freut sich sichtlich, dass er mit Hilfe des Köters ein paar Kinder und ihren Vater ängstigen kann. Jedenfalls weigert er sich beharrlich, den Kläffer an die Leine zu legen. „Der merkt, wenn einer nervt“, setzt er noch hinzu. Wie muss man beschaffen sein, wenn einem dieser erkläffte Triumph Glücksgefühle bereitet? Wie klein muss man sein, um sich derart dicke zu tun?

Bemerkenswert ist aber nicht die Existenz frei rum laufender Arschkekse, die an der Stärke ihrer bissigen Begleiter wachsen, sondern die offenbarte Argumentationsstruktur. Du blöder Wessi hast hier nix zu suchen. Ich hier geboren. Du fremd. Du weg. Das liegt voll im Trend. Ein geifernder Kolumnist macht diese Geisteshaltung seit einiger Zeit zum einzigen Programmpunkt und findet offenbar sogar einige Ewigfrustrierte, die das lesen bzw. als Büchlein kaufen. Selbsternannte Ur-Berliner laufen Sturm gegen „Schwaben“. Deutsche Schulversager zünden Döner-Stände an, um ihre trostlosen Orte von Ausländern zu reinigen, auf dass ihre Heimat noch ein Stück trostloser werde. Brave Bürger protestieren gegen „Asylanten“ in ihrer Nachbarschaft, weil ja sonst ihre Frauen vor vergewaltigenden Horden nicht mehr sicher sind. Keiner von denen kommt auf die Idee, dass fremd nicht gleich schlecht und heimisch nicht gleich gut bedeutet. Sonst gäbe es weltweit nur Grundgute, wenn die nur bleiben, wo sie immer waren. Und zu Hause gäbe es keine Arschlöcher. Gibt sie aber. Weiß jeder, eigentlich.

Was also tun? Den kleinen Heimat-Hobbyfaschisten die Macht überlassen? Am Ende ist es wie mit meinem Rucksack. Ich habe nicht verhindern können, dass der Hund ein paar Tropfen auf den Rucksack uriniert hat, aber ich konnte mich ihm rechtzeitig in den Weg stellen, um zu verhindern, dass er ihn vollständig unter Urin setzt. Es ist wohl nicht zu verhindern, dass selbsternannte Heimatschützer rum rennen und anderen vorschreiben wollen, wo sie zu leben haben. Wenn wir ihnen aber nicht klar machen, dass sie nix zu melden haben, schon gar nicht die Wohnorte anderer Leute festlegen dürfen, wird es noch ekelhafter zugehen als mit einem hundebepissten Rucksack. Auch wenn es viel einfacher wäre: Wir dürfen die Idioten nicht gewähren lassen.

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2 Antworten auf AUFGESPIESST: Der kleine Ichwarschonimmerhier-Faschismus

  1. Schnafte sagt:

    DAS ist Heimat-Hobbyfaschismus? Ihr spinnt hier jetzt total oder? DAS ist Linken-Faschismus. Gut das ihr überwacht werdet !!!