Arme Bettina, armselige Medien

Von Marion Kraske

Die vergangene Woche war eine der ganz besonderen Art: Die deutsche Presselandschaft präsentierte sich streckenweise nahezu gleichgeschaltet. Nicht, dass eine höhere Gewalt diesen Zustand brachial durchgesetzt hätte, nein, die einzelnen Akteure schafften dieses Glanzstück deutschen Medienversagens ganz von alleine. Und so übten sie sich verlagsübergreifend tagelang in trostloser Monothematik. Ganz so als gäbe es kein anderes, kein wichtigeres, kein elementareres Thema als – nun ja Bettina Wulff.

Bettina, die bis dahin eher unauffällige Single-Frau aus Burgwedel, die irgendwann dem trostlosen Langeweiler Christian Wulff über den Weg lief und nicht zuletzt dank der machttaktischen Spielchen einer gewissen Angela Merkel mitsamt ihres blassen Gatten ins Schloss Bellevue gespült wurde. Die Wulffsche Amtszeit wird eine traurige Fußnote in unseren Geschichtsbüchern einnehmen. Nun wird sie um ein paar ebenso traurige Informationen angereichert, die Gattin des Ex-Präsidenten klagt gegen die größte Suchmaschine des Worldwideweb, weil ihr Name zusammen mit einem unschönen Wort aus ihrer vermeintlich dunklen Vergangenheit angezeigt wird. Dies fiel ihr, Achtung, immerhin rechtzeitig zur Veröffentlichung ihres soeben erschienenen Buches auf.

Das wäre es dann auch schon gewesen. Eine kleine Meldung, dazu die Nachricht, dass sie sich in einem nicht eben gelungenen, vor Selbstmitleid triefenden Erinnerungs-Büchlein verewigt hat. Mehr aber auch nicht.

Wer sich in den vergangenen Tagen allerdings an einem Zeitungskiosk tummelte, wurde eines besseren belehrt. Man fühlte sich an die Todesnachricht über das Ableben von Lady Di erinnert: Überall blickten einem die traurig-braunen Augen von Bettina Wulff entgegen. Seriös zu einem Zopf zusammengebundene Blondheit wohin man auch schaute.

Es war ein bunt rauschendes Fest, an dem sie sich alle beteiligten, der Boulevard – selbstredend – im Einklang mit vermeintlich seriösen Blättern und Nachrichtenportalen, jeder versuchte den anderen beim grassierenden Bettina-Hype zu überbieten, mitunter machten die Autoren seltsamste Pirouetten, um auch ja nur das Witzigste aus dem Fall herauszukitzeln, gaben dabei ihrerseits doch nur schenkelklopfende Lächerlichkeit preis.

Neben den Promi-Schwurbel-Blättchen Gala und Bunte (noch am ehesten nachzuvollziehen) zierte Deutschlands Ex-Präsidenten-Gattin die Cover von Stern und Fokus, auch die Billig-Postille Super-Illu nahm sich des grassierenden Mussthemas an. Titelstorys, Interviews, Analysen und alles – selbstredend – ganz schön exklusiv.

Wie immer natürlich peinlich vorneweg die BILD, die den Hype zunächst mit anheizte und dann, pünktlich zur Sonntagsausgabe „scheinheilig zum „Drama um das Buch“ hochjazzte. Und das in einem stakkatohaften Schulmeister-Ton, der einmal mehr grausam daran erinnerte, was die Springer-Blätter sind: Schund, der sich mit Schund befasst. Zitat: „…goldene Regel vergessen: Alles darfst du loben, als PR-Girl, das Deo, das Duschgel, den Continental-Reifen. Nur dich selbst nicht…..“

Über alle Genregrenzen hinweg überschlugen sich die Schlagzeilen vom lapidaren „Jetzt rede ich“ über das hoffnungsfrohe „Jetzt kann ich wieder freier leben“ bis hin zur dramatischen „Abrechnung der First Lady“. Jedes klitzekleine Detail aus dem Bettina-Buch der gelernten PR-Frau wurde für erwähnenswert gehalten, analysiert, haarspalterisch auseinander genommen. Das Ganze gesüßt mit Verrissen, Häme, Spott, Hausfrauenpsychologie. Eine öffentliche Vernichtzungswalze brach sich Bahn, schließlich der Rückzug der Autorin – keine Interviews, keine Signierstunden, keine Talkshows. Die anderen diskutierten trotzdem munter weiter – ohne die nunmehr im Rückzug befindliche Autorin. Es war ja schließlich das Thema der Woche. Ein Buch, in dem ja eigentlich nichts stand, geschrieben von einer, die nicht gerade viel zu sagen hat. Und dennoch wurde geschrieben und getalkt, was das Zeug hielt.

Um eines klarzustellen: Es geht nicht darum, Bettina Wulff in Schutz zu nehmen. Zu trivial ihre Äußerungen (der Body des Ex) , zu intim die Lebensbeichte (die Leibwächter waren immer und überall da, auch nachts, wenn ….), zu selbstmitleidig ihre Haltung gegenüber dem ach so harten Alltag an der Seite des Präsidenten-Gatten (es gibt Hunderttausende Deutsche, die einen härteren Lebensalltag durchstehen müssen als die arme First Lady), zu untergriffig das Austeilen gegenüber ihrem Mann. Ein großes Vakuum und der mitleiderregende Versuch, den offenbaren Mangel an Substanz durch ein MehrMehrMehr an Öffentlichkeit zu kompensieren.

Das Verhalten der Medienmeute indes – nicht minder erbärmlich. In einer Woche, in der das Bundesverfassungsgericht über die Zukunft des Euros (Europas?) urteilte und den Euro-Rettungsschirm billigte, in einer Woche in der evident wurde, dass der Untersuchungsausschuss zur Terrorzelle NSU von außer Kontrolle geratenen Sicherheitsorganen zum wiederholten Male hinters Licht geführt wurde. In der klar wurde, dass die Grundfesten des deutschen Rechtsstaates in Gefahr sind, weil sich deutsche Behörden das Recht herausnehmen, in einer klandestinen Grauzone brisante Akten mal zu schreddern, mal zu vergessen, mal notwendige Informationen verheimlichen, ganz nach eigenem Gutdünken. In so einer Woche, beschäftigte sich Deutschlands Medienlandschaft vorrangig mit Bettinas Luftnummern-Publizistik.

Die Medienmaschine, die sich da heiß lief, erwies sich als mindestens ebenso peinlich wie das Objekt der Berichterstattung samt seiner literarischen Ergüsse. Tagelang entblödeten sich die Meinungsbildner der Nation nicht, die Blödheiten der Bettina Wulff derart ernst zu nehmen, dass selbst die alte, verschnarchte Tante Tagesschau sich in aller Ernsthaftigkeit mit der Buchschreiberin und ihrem Trivial-Elaborat widmete.

Mal machte man sich lustig über die auffallend schlichte Jugendsprache der Autorin, dann wieder über die Einfachheit ihrer Gedankenwelt, auch Überlegungen über das wohl berühmteste Tattoo Deutschlands – gähn – durften nicht fehlen.

Herrje, immer wieder dieses Tattoo, als habe die Republik keine größeren Sorgen.
Selbst Hellmuth Karasek, sonst angeblich ja zuständig für die hohe Literatur, meldete sich zu Wort und erachtetete das Thema als gehaltvoll genug, um über die Tatsache zu schwadronieren, dass die Wulffsche Körperzier ja noch gar nicht vollendet sei. Der Meister höchstselbst nutzte es, um tiefenpsychologische Plattheiten vom Stapel zu lassen.

Schließlich ließ sich auch der Oberaufklärer der Republik, Hans Leyendecker, nicht lumpen und nahm sich des allseits beliebten B-Themas an. Leyendecker, der eben noch den Preis der Preise, die Henri-Nannen-Trophäe ablehnte, weil er nicht mit den Kollegen von der BILD in einen Topf geschmissen werden wollte, begab sich gleichsam auf die Ebene des Boulevards, begann mit den kursierenden Gerüchten, den Gedanken der leidenden Eltern, zitierte eine Buch-Passage über Bettinas Gefühlslage, als der Gatte und Noch-Präsident ihr am 17. Februar „ein zweites Mal” seine Abschiedsrede vorgelesen habe, damals habe sie „eine innere Leere” gespürt. Schließlich resümierte Leyendecker den letzten Satz ihres Buches: Ihr Leben ist ihr Leben.

Wow, Erkenntnisse, auf die wir lange gewartet haben. Das sind die Ergüsse unserer Medien. Das Banale des Buches – es fand seine Entsprechung in der Banalität der Berichterstattung, ganz egal, wie renommiert die Federn waren, die sich an dem Wunsch abarbeiteten, sich über das Triviale zu erheben. Geistige Erhellung, gar Mehrwert suchte man vergebens. Wie schrieb die BILD am Sonntag über Bettina Wulff: „598 Tage und ein Getöse wie dreimal die Welt gerettet.“ Das Getöse, liebe Kollegen, wer das nur macht?

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Eine Antwort auf Arme Bettina, armselige Medien

  1. marion, die überschrift hätte etwas aggrewsssiver sein können/müssen!

    Ist das ganze nicht ein test, wie man die medienkampagne gegen höhler durch ein weiches thema überlagern kann?

    Das Höhlerbuch ist wirklich echt schlecht im Stil, aber wenn man in der CDU mal war, dann weiß man besser, wovon sie spricht.

    Dieses Buch von Höhler müsste noch einmal übersetzt und zusammengefasst werden!

    Ja, auch diese Bettina-Woche gehört für mich zum System Merkel!

    Danke für Deinen Artikel

    friedrich