Apokalypse – der Burnout des ZDF

Von Martin Häusler

Erschöpft blicken wir zurück auf die Themenwoche des ZDF. „Burnout – Der erschöpfte Planet“ hatte sie passenderweise geheißen. Die Mainzer Programmgestalter waren auf die Idee gekommen, jene medial zuletzt arg strapazierte Mode-Erkrankung als Signet umzufunktionieren und zu globalisieren und damit eine frische Ladung verstörender Filme, Dokumentationen, Beiträge und Diskussionen über den Raubbau an Mutter Erde zu markieren.
In erster Linie bestand die Ladung aus drei Großproduktionen: einem zweiteiligen Ökothriller mit Heino Ferch und Barbara Auer, der in Afrika spielte, einer zweiteiligen Dokumentation zur globalen Wasserknappheit, in der sich Claus Kleber als rasender Reporter an wechselnden Tatorten zeigen konnte, und einer weiteren zweiteiligen Dokumentation von Stefan Aust und Claus Richter, die ebenfalls um den Erdball fliegen durften, um die Jahrzehnte lange Jagd nach Öl mit aktuellen Bildern anzureichern. Flankiert wurden die Hauptattraktionen durch einen entsprechenden Talk bei Maybritt Illner sowie thematisch abgestimmte Beiträge im Auslandsjournal, bei Frontal 21 oder im Morgenmagazin.
Ohne Frage war das Meiste überdurchschnittlich gefertigt, meinetwegen waren auch hochkarätige Produkte darunter. Und wahrscheinlich wird sich dafür demnächst einer der Beteiligten irgendeinen der zahlreichen Fernsehpreise übers Kaminfeuer stellen können. Doch diese sicher gut gemeinte Themenwoche geriet in ihrer unzulänglichen Zusammensetzung zu einem journalistischen Skandal.
Jedes Mal ging man mit dem Eindruck zu Bett, dass beim ZDF entweder die Uhren stehengeblieben sein müssen oder man im Sendezentrum einfach der Lust nachgehen wollte, allein einen ökologischen Fortsetzungs-Splattermovie zu realisieren. Denn in erster Linie wurde ein Kaleidoskop des Untergangs konstruiert, mit dem die drohende Apokalypse der Menschheit minutiös vorgezeichnet wurde. Der nicht zu leugnende Horror erdrückte die vielerorts aufkeimende Hoffnung – die ebenso berechtigt ist.
Gemahnt und gewarnt aber wird spätestens seit 1972, als der Club of Rome mit seiner vielbeachteten Studie „Die Grenzen des Wachstums“ auf unsere ressourcenfeindliche Lebens- und Wirtschaftsweise hinwies. Diese Mahnungen und Warnungen wurden mehrfach wiederholt und aktualisiert. Und, vor allen Dingen: Längst gibt es in annähernd jedem Wirtschaftsbereich großartige, realisierbare Visionen, die den alten Triebkräften des Raubbaus Einhalt gebieten könnten. Genau diesen Visionen und ihren gegen den Mainstream denkenden Schöpfern könnte man im Jahre 2011 – also knapp 40 Jahre nach dem Club-of-Rome-Appell – eigentlich seine volle Aufmerksamkeit widmen. Doch die Visionäre kamen beim ZDF kaum vor. Aspekte der Zuversicht: nicht mehr als ein paar bunte Kleckse im sonst Dustern.
Claus Kleber hatte noch im Hamburger Abendblatt gemeint, dass Beiträge über durch den Klimawandel ausgelöste Bedrohungen im heute journal einen Umschaltreflex bei den Zuschauern auslösen würden, da die sich sagen würden: „Weiß ich alles, kann ich sowieso nichts dran ändern.“ Als öffentlich-rechtlicher Sender, so Kleber weiter im Abendblatt, fühle sich das ZDF aber verpflichtet, kontinuierlich über diese Themen zu berichten. Recht so. Aber doch nicht in diesem einseitigen Bewusstsein. Und erst Recht nicht mit dem Wissen, um die fatalistische Einstellung des eigenen Publikums. Hätte die heute-journal-Erfahrung Klebers nicht viel mehr dazu führen müssen, den Menschen Hoffnung zu vermitteln gepaart mit der Bekräftigung, dass jeder einzelne von uns eben doch in der Lage ist, etwas ändern zu können gegen die vermeintliche Übermacht von Wirtschaft und Politik?
Sind wir uns darüber im Klaren, dass das Fernsehen als Immer-noch-Leitmedium der Massen das Bild von der Welt in wesentlichem Maße prägt, damit über Angst und Mut entscheidet (über Erstarrung und Aufbruch also) und die Öffentlich-Rechtlichen gerade deshalb eine ungeheuere Verantwortung tragen, dann kann man nicht anders, als die ZDF-Themenwoche als Angriff auf die Seelenlage der Republik zu werten und auf die Bemühungen all jener, die sich mit ihren Ideen, Entdeckungen, Erfindungen und Initiativen seit Jahren gegen den Untergang stemmen und erfolgreich für eine bessere Welt kämpfen. Das gebündelte Möchte-gern-Umwelt-Engagement des Senders hat sein Ziel verheerend weit verfehlt. Durch seine Gewichtung wirkte es gar kontraproduktiv.
Vor kurzem diskutierte ich mit Franz Alt – lange Jahre Chef des ARD-Polit-Magazins Report – und fragte ihn nach der Problemversessenheit von Journalisten. Er sagte mir dazu: „Das hängt natürlich mit deren Weltbild zusammen und mit der Frage, wie sie mit ihren Ängsten umgehen. Wenn ich Angst habe vor meiner eigenen Angst, dann bleibe ich beim Thema Angst immer stehen. Wenn ich aber sehe, dass ich Angst produktiv durcharbeiten kann in Zukunftsarbeit, habe ich einen ganz anderen Ansatz.“ Und er ergänzte: „Albert Einstein sagte einmal: ,Die wichtigste Frage, die wir stellen können, lautet: Ist diese Welt ein freundlicher Ort oder nicht’. Wenn ich ein religiöser Mensch bin, der ein Urvertrauen in die Schöpfung hat, bejahe ich diese Frage. Wenn ich das nicht bin, werde ich vielleicht nihilistisch oder zynisch. In unserem Journalistenberuf gibt es viele Nihilisten und viele Menschen, die Werte als etwas Lächerliches ansehen. Ohne Urvertrauen werde ich in diesem Beruf zum Zyniker. Das ist ein großes Problem. Deshalb sind auch viele Journalisten psychisch krank. Der Zynismus ist die Urkrankheit des Journalismus. Und der führt dazu, dass man über¬haupt nicht mehr konstruktiv denkt und im Anderen immer nur noch das Böse sieht, anstatt zu begreifen, dass die Anderen genau so voller Ängste stecken wie ich.“ Als hätte Alt die Themenwoche des ZDF vorausgeahnt.
Vielleicht macht die journalistische Verfehlung demnächst ein Sender wieder gut, der das Konzept der Themenwoche im Original betreut, weil er es vor genau fünf Jahren erfunden hat: das Erste.

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Eine Antwort auf Apokalypse – der Burnout des ZDF

  1. Sven sagt:

    Nach den jüngsten Messungen ist die Klimaschädigung allen Bemühungen, angeblichen Fortschritten und Prognosen zum Trotz im vorigen Jahr schneller voran geschritten als je zuvor. Wenn Häusler von den angeblich vielen positiven Entwicklungen spricht, die aus nahezu allen Lebensbereichen den Katastrophenmeldungen entgegen gehalten werden könnten, dann sollte er auch einige davon nennen und nicht bloß den Heiligen Geist des Journalismus, den alters-milden Franz Alt, zitieren. Bislang war das “bringt-doch-auch-mal-gute-Nachrichten-Mantra” ein prägendes Kennzeichen rechtskonservativer Medienkritik.